Suspense
Ahhhhhhhhhhhhhhhhhh, ich bin derzeit mal wieder total auf
dem Victoria-Holt-Trip! Victoria Holt ist eines von vielen Pseudonymen der
britischen Schriftstellerin Eleanor Hibbert, ihres Zeichens Verfasserin sogenannter
historischer Romane. Ich möchte hier allerdings nicht unerwähnt lassen, dass ich
innerhalb der letzten 30 Jahre so ziemlich alle Bücher von Victoria Holt gelesen habe
und trotzdem von britischer Historie nicht die geringste Ahnung habe. Ja,
sicher, Victoria Holts Romane haben immer irgendetwas mit der Vergangenheit zu
tun, aber nicht mit einer konkreten, an Jahreszahlen festzumachenden
Vergangenheit, sondern mit so einer Art Universal-Vergangenheit. Neulich
beispielsweise las ich "Das Geheimnis der Schwestern" (englisch "Bride of
Pendorric") und war total irritiert, als in dem Roman auf einmal ein Telefon
auftauchte! Ich dachte, die Story würde siebzehnhundertnochwas spielen wegen
all der uralten, zugigen Herrenhäuser, der Steilküsten in Cornwall, der Ausflüge
ins Moor und der Kleider aus grünem Samt. Wenn Ihr mich fragt, ist Victoria Holts
Genre weniger der historische Roman, sondern vielmehr der Romantik-Thriller, auf
Englisch heißt das, glaube ich, Gothic Novel, Gothic Romance oder Gothic Mystery
bzw. Romantic Suspense und ich lehne mich sicher nicht allzu weit aus dem
Herrenhausfenster, wenn ich Victoria Holts Œuvre als trivial
bezeichne. So trivial, wie uns der folgende Buchdeckel weismachen will, aber
nun auch wieder nicht!
"The Shivering Sands", zu Deutsch "Treibsand", ist mein ab-so-lu-tes
Lieblingsbuch von der Holt! Das oben abgebildete Exemplar hat mir einmal meine
Schwester geschickt, als ich sehr krank war, woraufhin ich durch den enormen
Lese-Fun ziemlich bald wieder gesund wurde. Seit wir es zum ersten Mal aus der
evangelischen Gemeindebücherei unseres Heimatdorfes ausgeliehen haben, ist Treibsand nämlich nicht nur mein Lieblingsbuch, sondern auch das meiner Schwester.
Die Hauptpersonen in den Victoria-Holt-Romanen sind immer
junge Frauen, die es irgendwie (meist als Gouvernante) in eines dieser alten englischen
Gemäuer verschlägt, wo es natürlich auch spukt! Die jungen Frauen sind aber
allesamt sehr klug und rational (was man z.B. daran erkennt, dass sie im Schachspiel
brillieren) und klären im Laufe der Geschichte auf, dass hinter dem Spuk
beispielsweise ein psychisch krankes Familienmitglied steckt, das den ganzen
Zinnober inszeniert hat, um die Protagonistin wieder zu vertreiben und/oder um ein
uraltes Familiengeheimnis zu bewahren. Das Ganze ist natürlich irre spannend! Und obwohl die Protagonistinnen sehr klug
und rational denken und handeln, haben sie aber überhaupt kein Problem damit,
auch mal dem Ruf ihres Herzens zu folgen! In fast jedem Roman spielt übrigens auch
ein Dorfpfarrer mit, der in einem dieser hübschen kleinen englischen Cottages wohnt,
welches wiederum als Gegenwelt zu den gruseligen, burgartigen Adelslandsitzen
dient. Ob der Dorfpfarrer der Grund ist, warum in unserer evangelischen Gemeindebücherei
nicht nur das Holt‘sche Gesamtwerk, sondern auch das der sieben anderen Alter
Egos von Eleanor Hibbert verfügbar war? Aber vielleicht war auch die Bibliothekarin Frau S. Romantic-Suspense-Fan. Man weiß es nicht.
Für meine Schwester und mich war es jedenfalls nicht
nachvollziehbar, ja, geradezu unfassbar, dass ein dermaßen gutes Buch wie Treibsand bisher noch nicht verfilmt worden war – ein ganz klarer Fall für uns! Wir
wohnten mittlerweile in Tübingen und so machten wir uns mit Dollar- bzw. Pfund-Sterling-Zeichen
in den Augen gemäß Bourdieus Habitus-Konzept nicht etwa in eine der zahlreichen
Tübinger Universitätsbibliotheken auf, sondern gingen in die Tübinger
Stadtbibliothek, um uns dort ein "Wie schreibe ich ein Drehbuch"-Buch
auszuleihen. Aber irgendwie war der Drehbuch-Ratgeber Mist, wir verzettelten
uns schon bei der Eingangssequenz heillos und ich bin dann nach Berlin gezogen.
Der schöne Plan verlief im (Treib-)Sand! Aber vielleicht waren wir ja nur
unserer Zeit voraus!? Es waren die Neunziger – zwanzig Jahre vor dem Downton-Abbey-Hype.
Ob man vielleicht noch einmal einen Versuch wagen sollte? The Shivering Sands als Mini-Serie – eventuell ein Dreiteiler? Denn im Prinzip sind die Bücher von
Victoria Holt auch nichts anderes als Downton Abbey, nur mit weniger Kitsch,
aber dafür umso mehr Suspense!
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