Fünf Gründe für englische Wachsjacken. Eine Liebeserklärung
1. Verwirrung. Englische Wachsjacken, besser bekannt als
Barbour-Jacken, gelten als Uniform englischer Adliger und konservativer
Jura-StudentInnen. Ich bin weder das eine noch das andere; somit kann ich problemlos Barbour-Jacken
tragen, ohne diese vorgefertigte Lesart zu evozieren. Trotzdem schadet es natürlich nicht, ein
Kleidungsstück zu besitzen, in dem man theoretisch den Eindruck erwecken
könnte, man sei entweder eine verarmte Adlige, die nichts mehr besitzt außer
ihrem Dünkel und der mehrfach geflickten Wachsjacke, oder eine Tochter aus
gutem Hause mit einem abgebrochenen Jurastudium.
2. Glastonbury. Barbour-Jacken geben einem außerdem die
Möglichkeit, sich wie Alexa Chung auf dem Glastonbury-Festival zu fühlen, ohne
das Glastonbury-Festival besuchen zu müssen. Das ist deswegen praktisch, weil mich
keine zehn Pferde auf so ein Festival bringen. Niemals.
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Ihre Ladyschaft Diana, Alexa Chung, Helen Mirren, die Queen, alle in Barbour |
3. Funktionskleidung. Ständig wird lamentiert, die Leute in
Deutschland würden nur noch hässliche Funktionskleidung tragen, auch wenn keine
Funktionskleidung nötig ist. Meine
Bewegungs-App sagt mir, dass ich täglich durchschnittlich 13,55 km Fahrrad
fahre. Mit Fug und Recht dürfte ich also Regenfunktionskleidung tragen. Mache
ich aber nicht. Ich nehme stattdessen meine Bürgerpflicht war, trete mit meiner
Wachsjacke dem Funktionskleidungseinerlei in deutschen Innenstädten entgegen
und werde lieber nass. Das stimmt nämlich gar nicht, dass Barbour-Jacken
wasserdicht sind. Die sind nur bedingt wasserdicht.
4. Vielseitigkeit. Man kann Barbour-Jacken immer und zu allem
tragen. Ist so! Feine und formale Outfits lassen sich mit der Jacke dezent runterdressen
und bekommen ein lässiges Finish, abgeranzte Klamotten hingegen werden von der
Babour-Jacke aufgrund ihrer soliden, sichtbar auf Langlebigkeit angelegten
Machart enorm aufgewertet.
5. Geld. Aufgrund ihrer Vielseitig- und Langlebigkeit gehören
Barbour-Jacken zu den preiswertesten Kleidungsstücken überhaupt. Das lässt sich
leicht mit der cost-per-wear-Formel ausrechnen:
cost of the
item : number of wears = cost per wear
Meine alte Wachsjacke habe ich vor fünf Jahren für ungefähr 350
Euro gekauft. Ich habe diese Jacke jedes Jahr in den Monaten Februar bis April
und September bis November täglich, in den Monaten Mai, Juni und Dezember
ungefähr an der Hälfte der Tage und im Januar, Juli und August wahrscheinlich nicht
getragen. Das macht ungefähr 225 Tage pro Jahr, an denen ich die Jacke getragen
habe, in fünf Jahren also insgesamt 1125 Trage-Einheiten. Somit hat meine Jacke
folgenden CPW-Quotienten:
350 Euro : 1125 Trage-Einheiten = 0,31 Euro
Berechne ich ein, dass ich die Jacke in den letzten fünf
Jahre zweimal zum Wachsen à 50 Euro und einmal zum Flicken und Stopfen (ebenfalls
50 Euro) gegeben habe, komme ich auf einen derzeitigen CPW-Quotienten von 44 Cent – ein sensationeller
Wert!
Alle mathematisch interessierten und versierten Leserinnen
und Leser möchte ich nun eindringlich auffordern, die CPW-Formel um folgenden Aspekt zu
erweitern: Ich habe mir in den letzten fünf Jahren keine weitere Jacke gekauft; aufgrund
der oben beschriebenen Vielseitigkeit war das nicht nötig. Durch das Tragen der
Jacke sind mir also eigentlich keine Kosten entstanden. Im Gegenteil – ich hab
ein dickes Plus gemacht, oder? Jetzt möchte ich natürlich wissen, wie hoch dieses
Plus ist.
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Labels: Die neue Dünkelhaftigkeit, Wenn heimliche Fashionbloggerinnen zu sehr lieben