Das seltsame Leben der It-Bags, Teil 2
Im April 2020 verkündete das Haus Givenchy überraschend, dass die Chef-Designerin Clare Waight Keller das Unternehmen verlässt. Allet schick, ihr Vertrag läuft halt aus, so die offizielle Verlautbarung des eleganten französischen Maison de Couture. Im Hintergrund wurde währenddessen gemunkelt, Waight Keller sei rausgeflogen, weil es ihr nicht gelungen sei, in den drei Jahren bei Givenchy eine It-Bag zu produzieren.
Das ist bemerkenswert, denn bei ihrem vorherigen Job als
Chef-Designerin bei Chloé hat Waight Keller eine It-Bag nach der anderen rausgehauen:
Die Drew, die Faye, die Marcy, die Nile und wie sie alle hießen und heißen.
Möglicherweise waren ihre It-Bag-Skills sogar der Grund, warum sie von Givenchy
abgeworben wurde. Diese Rechnung ist nun nicht aufgegangen und ich fürchte,
auch Natacha Ramsay-Levi, Waight Kellers Nachfolgerin bei Chloé, muss sich bald
eine andere Stelle suchen, denn von einer neuen Chloé-It-Bag kann nicht die Rede
sein.
Bei den anderen Modehäusern sieht es ebenfalls schlecht aus, aber die Verantwortlichen scheinen nicht zu checken, dass – These – die Zeit der
It-Bags vorbei ist. Es wirkt fast verzweifelt, wenn Louis Vuitton das neue Modell „Pont 9“ lanciert und binnen Sekunden alle (diesmal waren es
wirklich alle) High-End-Fashion-Influencer*innen ein Foto mit dieser Tasche auf
Instagram posten. Niemand, der bei Verstand ist, möchte die Pont 9 haben – die zudem
ähnlich aussieht wie die 30 Montaigne von Dior, was zum Teufel.
Die besten It-Bags sind sowieso ehemalige It-Bags,
vergessene It-Bags, in Ungnade gefallene It-Bags, die schlecht fotografiert und
verschämt auf 2nd-Hand-Plattformen verkauft werden; der niedrige Preis ein
Eingeständnis, dass man auf einen teuren Hype reingefallen ist.
Die Boogie Bag von Celine beispielsweise, eine It-Bag aus
dem Jahr 2002. Madonna hat sie rauf und runter getragen, Angelina Jolie,
Gwyneth Paltrow, Sarah Jessica Parker und Prinzessin Dingsbums von Dänemark, deren
Name mir gerade entfallen ist. Damals war Michael Kors Chefdesigner bei Celine
und niemand, noch nicht einmal das Haus Celine selbst, möchte an diese Phase
erinnert werden. So sehr sich die Slimaniacs (Anhänger*innen des aktuellen
Celine-Designers Hedi Slimane) und die Philophiles (Anhänger*innen seiner Vorgängerin bei Celine, Phoebe Philo) gegenseitig hassen, gemeinsam ist ihnen ihre Verachtung für
Michael Kors: nicht edgy genug (Slimaniacs), nicht artsy genug (Philophiles).
Die Boogie Bag von Celine aus dem Jahre 2002 |
Ich kann mich nicht erinnern, wie ich die Boogie Bag 2002
fand, aber jetzt finde ich sie spitzenmäßig! Es gibt sie in zahlreichen Ausführungen, man kann sie gebraucht für einen
Bruchteil ihres ursprünglichen Preises kaufen und mit ihr wie eine geschichtsbewusste Fashion-Enthusiastin durch die Gegend spazieren (und nicht wie ein Fashion-Lemming).
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