7. Mai 2007

Im Blickpunkt: Meine Lesegewohnheiten

Täusche ich mich, oder waren sich vor noch nicht allzu langer Zeit Mahner, Warner und Bedenkenträger darin einig, dass es mit dem Buch bald zu Ende geht, dass die Leute nicht mehr lesen? Haben nicht arge Pessimisten sogar geglaubt, dass Kinder irgendwann nicht mehr wissen würden, was das sei, ein Buch? Es ist kein Geheimnis, dass genau das Gegenteil eingetreten ist. Die Leute lesen wie die Bekloppten. An und für sich eine schöne Sache, das Problem ist nur, dass alle Leute dasselbe lesen und es in den Buchhandlungen nur noch die Bücher zu kaufen gibt, die alle Leute lesen wollen. Was wiederum zur Folge hat, dass die Bücher in Buchhandlungen nicht mehr in Bücherregalen stehen, sondern auf Büchertischen gestapelt präsentiert werden. In meiner Buchhandlung sind die Bücher auf diesen Tischen darüber hinaus mittels Schilder in folgende Kategorien eingeteilt:

Jung & Crazy

Für Vorleser und Selbstleser

Middlesex, Korrekturen & Co.

Desperate Housewives

Mord und Totschlag

Spiegel-Bestseller

Na ja, Hauptsache die Leute lesen überhaupt irgendwas. Möchte man jedoch ein gutes Buch lesen, sollte man um diese Tische einen nicht gerade kleinen Bogen machen (ja, ja, ich weiß, es gibt auch Ausnahmen). Aber was ist ein gutes Buch? Ein gutes Buch ist ein Buch,

(a) das nicht auf einem dieser Tische liegt

(b) das man mindestens zweimal gelesen hat und das man sofort wieder lesen würde

(c) in welchem man - gälte das nicht als absolut peinliches No No - mit dem Bleistift Sachen unterstreichen, an den Rand Frage- und Ausrufungszeichen und Bemerkungen wie sehr richtig! oder wie wahr! kritzeln würde

Die Bücher, auf die diese drei Punkte zutreffen, kann ich fast an einer Hand abzählen:

Marieluise Fleißer, Mehlreisende Frieda Geier. Roman vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen. Allein schon wegen des Titels. Hier der Beweis:



Punkt (a) kann ich abhaken - das Buch liegt auf keinem Buchhandlungsstapeltisch, never! Punkt (b) ebenfalls, habe ich bestimmt fünfmal gelesen und ich würde es sofort wieder tun. Punkt (c) - Kritzeleien sind auch drin, siehe Bold, ah, ich meine natürlich Bild. Was noch? Irmgard Keun, Das kunstseidene Mädchen. Erich Kästner, Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. Dirk Wittenborn, Unter Wilden. Tom Wolfe, Ich bin Charlotte Simmons. Und zwei Jugendbücher von Christine Nöstlinger, Ilse Janda, 14 und Wetti & Babs.

Ansonsten lese ich sowieso nur Robert Walser. Will ich immer lesen, kann ich immer lesen. Weil es aufgrund der vielen kleinen Kurzprosastücke nicht ganz einfach ist, den Überblick über Robert Walsers Werk zu behalten, und weil neben den gesammelten Werken immer wieder neue Stücke auftauchen, Mikrogramme entschlüsselt oder bereits veröffentlichte Texte thematisch sortiert neu herausgegeben werden (so z.B. unter dem Titel Europas schneeige Pelzboa verschieden Texte Walsers über die Schweiz), weil es also - wie gesagt - schwierig ist, den Überblick zu behalten, habe ich jetzt meinen eigenen kleinen Robert Walser-Katalog angelegt. In einem ledergebunden Adressbuch mit Goldschnitt. Kein Mensch braucht heutzutage mehr Adressbücher. Tschüss, Adressbuch! Guten Tag, kleiner Bücherkatalog!



Jetzt weiß ich endlich, dass sich die Geschichte Das Theater, ein Traum (II) zweimal in meinem Besitz befindet, nl. einmal in "Maler, Poet und Dame" und einmal in "Träumen", Band 16 der gesammelten Werke, aber Das Theater, ein Traum (I) in meiner Sammlung fehlt! Scandalous! Noch mehr scandalous: Es gibt die Geschichten Ein Genie (I), ca. 1913, Ein Genie (II), um 1923, und Das Genie aus dem Jahre 1902! Habe ich immer für alles für ein und dieselbe Geschichte gehalten, ich Blödi!


Robert Walser, Träumen. Sämtliche Werke in Einzelausgaben, sechzehnter Band. Hg. v. J. Greven. Zürich und Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1985, 122f.

(Hoffentlich gibt das keinen Ärger.)

******

Labels:

2 Kommentare:

Blogger undundund

robert walser ist aber auch super. so was von.

8. Juni 2007 um 13:59  
Blogger ROSINE

Treffender kann man es nicht sagen.

8. Juni 2007 um 18:15  

Kommentar veröffentlichen

<< Zurück