7. November 2009

Muss des Monats

Ein absolutes Muss ist für mich jeden Monat das sorgfältige Durchstudieren des Vortragsprogramms der Urania.* Immer wenn das Berliner Mietermagazin eintrifft, schlage ich als erstes die letzte Seite auf - dort nämlich ist das Programm abgedruckt - und frage mich bzw. male mir profilermäßig stundenlang aus, was das wohl für Leute sind, die sich beispielsweise am Mittwoch um 15:30 Uhr den Vortrag "100 Jahre Stahnsdorfer Südwest-Friedhof" oder am Montag, gleiche Zeit, etwas über "Görlitz - eine der schönsten Städte Deutschlands" anhören. Bitte, ich möchte mich nicht lustig machen, man interessiert sich halt für irgendwas, ob es sich dabei um einen Friedhof, eine Stadt oder sonst etwas handelt, ist schließlich piepegal, aber die Vorstellung eines schlecht besuchten Vortrags in einem 60er-Jahre-Vortragssaal mit mutmaßlich veralteter Technik und engagierten Vortragenden, die - das vermute ich alles - mit sehr viel Liebe und Begeisterung über ihr jeweiliges Spezialthema sprechen, rührt mich und verursacht dieses seltene, aber sehr angenehme Kribbeln auf der Innenseite meiner Kopfhaut. Mein "Mitbewohner" behauptet, das Programm der Urania richte sich auschließlich an aktive, kulturbeflissene Rentner, und Vorträge wie "Lässt sich die Alzheimer-Demenz verhindern oder therapieren?", "Wie fit ist mein Gehirn? Braucht mein Gehirn Jogging?" oder "Die neuen Erbrechtsbestimmungen" scheinen diese These zu stützen, aber für wen sind halbseidene Vortragsthemen wie "Die Illusion der perfekten Kontrolle", "Wie ändere ich meinen Mann? Wie ändere ich meine Frau?" oder "Wie wir täglich getäuscht werden - Manipulationstechniken durchschauen" bestimmt? Es will mir einfach nicht gelingen, ein stimmiges Urania-Besucher-Profil zu erstellen. Ob ich einmal selbst hingehe? Als Mitglied des Berliner Mietervereins bekomme ich sogar einen Preisnachlass. Ach nein, ich lasse mich lieber weiterhin jeden Monat überraschen, was für schöne, interessante und rätselhafte Themen das Urania-Team noch in der Hinterhand hat.

*Für alle Nicht-Berliner: Die Urania ist ein Haus in der Nähe des Wittenbergplatzes, von dem kein Mensch so recht weiß, was sich darin abspielt. Es werden wohl Vorträge darin abgehalten und Sachen aufgeführt. Immerhin vier Busse halten an der Urania, der M19er, der M29er, der M46er und der 187er.

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7 Kommentare:

Anonymous moseron

Ich gestehe: Habe es mir mal angesehen - es ist haarspitzengenau so. Einmal und nie wieder.

7. November 2009 um 22:34  
Anonymous Kosta

Verrückt - die Urania war mir immer schnurzpiepegal, aber jetzt, aus der Ferne, würde ich nichts lieber tun, als mir einen schönen Sonntagsvortrag dort anhören, am allerliebsten mit dir, liebe Zibebe. Oder auch ansehen, denn wenn ich mich recht erinnere, gibt es dort auch tolle Dia-Shows im Angebot.

8. November 2009 um 04:07  
Blogger ROSINE

Das habe ich mir schon gedacht, Moseron, aber ist es dort nicht auch irgendwie schön? Traurig rührend schön? Und Kosta, gibt es in Mexiko City so etwa auch? Wäre interessant, einmal zu erfahren, was für lustige Themen dort aufs Tapet gebracht werden.

8. November 2009 um 17:54  
Anonymous Kosta

Ich recherchiere mal.

8. November 2009 um 21:12  
Anonymous moseron

Ja, irgendwie mag es schön sein dort - diese alte westberliner Welt, das Haus, das Interieur, die Idee, dass Professoren für den "interessierten Laien" predigen. Aber unerträglich war für mich, die Fragestunde hinterher, die offenbart, dass nur darum geht, seine eingebildete Schlauheit zu präsentieren mit hohlen, als Fragen getarnten Reden. Das mag an der Universität oft genau so sein, unterträglich war eben das schrecklich Traurige und Sinnlose daran.
Aber ich gebe zu, womöglich erlebte ich den falschen Vortrag. Es war ein philosophischer.

9. November 2009 um 12:36  
Anonymous moseron

Entschuldige, hihi, habe lauter Tippfehler drin. Besonders hübsch: unterträglich.

Ein Vortrag zur deutschen Sprache wird fällig.

9. November 2009 um 12:38  
Anonymous Anonym

Ein lichtvoller, belehrender und höchst erbaulicher Beitrag. Weiter so!

Nur eine klitzekleine Anmerkung, ich trau mich's fast nicht sagen: Die VHS Urania ist in Wirklichkeit natürlich hier in Wien, da, wo sich Wienfluß und Donaukanal vereinen. Sonst alles ganz korrekt beschrieben.

http://www.vhs.at/vhs01_kurse.html

Für das neue Jahr habe ich mir gleich das erste Kursangebot relativ ganz fest vorgenommen: "Alphabetisierung und Basisbildung"! Das wird die inhaltliche und stilistische Qualität meiner schriftlichen Werke fürderhin ganz gewiß wesentlich verbessern.

Geezer

28. November 2009 um 13:13  

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