10. Februar 2010

Grüße!

Folgende Veränderungen auf dem Grußformelmarkt stelle ich fest: Beim Verschicken von semi-offiziellen Mails an Leute, die man nicht kennt, mit denen man aber aus irgendwelchen Gründen nicht ganz so förmlich reden möchte, schreibt man zum Abschied nicht mehr Viele Grüße oder Freundliche Grüße, sondern man schreibt Viele Grüße aus dem frühlingshaften München oder Viele Grüße in das Sauerland oder Viele Grüße an den schönen Bodensee. Irgendetwas meteorologisch-geographisches muss seit neuestem immer mit dabei sein beim Grüßen. Wem außer mir ist das noch aufgefallen? Zum ersten Mal von dieser Art des Abschiednehmens gelesen habe ich im "Handbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" von Norbert Franck, Frankfurt/Main, 2. Aufl. 2004. Dort heißt es auf Seite 124:


Also wirklich. Macht man das so? Ich verrate mal was. Ich bin in einem Ort geboren, der an einem Fluss namens Fils liegt. Dieser Fluss trägt nur bedingt zur Identität der Leute bei, die an ihm wohnen, ich möchte fast sagen, die Bewohner wollen möglichst wenig mit diesem Fluss zu tun haben und wären sicherlich höchst irritiert, wenn sie eine Mail unterzeichnet mit
Sonnige Grüße an die Fils
Ihr Dr. Norbert Franck
bekämen! Irritiert war auch mein lieber Herr Mitbewohner, als er eine Mail von einem einigermaßen berühmten Journalisten erhielt und drunter stand:
Viele Grüße aus dem nachtschwarzen Washington D.C.
Ihr XYZ
Gelernt ist gelernt, der hat wohl seinen Franck gelesen, möchte man da sagen. Ich werde dieses Phänomen auf jeden Fall weiter beobachten.

(bitte ankreuzen, Mehrfachauswahl möglich)
( ) Brummige Grüße aus Bärlin
( ) Tolle Grüße vom Teltowkanal
( ) Viele Grüße aus dem teilweise gentrifizierten Neukölln
Eure Rosine

******

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13 Kommentare:

Anonymous Anonym

Mir! Mir ist das neue Grüßen auch schon aufgefallen. Vielen Dank für die Analyse.
Eigentlich lese ich hier still mit, aber nun melde ich mich anständigkeitshalber einmal zu Wort.
Grüße aus einem GrunewaldrandreihenENDhaus, kein SUV

11. Februar 2010 um 16:12  
Blogger ROSINE

Oh, wie schön! Ich weiß nämlich gar nicht so genau, wer hier mitliest! Jetzt weiß ich es: Es sind u.a. Grunewaldrandreihenendhausbewohner! Viele Grüße zurück in den vermutlich ebenso wie Neukölln eigentlich nachtschwarzen, aber durch den Schnee ein wenig erhellten Grunewald!

11. Februar 2010 um 21:01  
Anonymous undundund

Auf der doofen Arbeit mach ich das auch. Immer schön mit der dem Empfänger entgegengesetzten Himmelsrichtung:

Viele Grüße gen Süden!
Nur das Beste gen Westen!
Glück auf! (Norden)
Freundschaft! (Osten)

11. Februar 2010 um 21:21  
Blogger ROSINE

Aha, der Herr Undundund. Gibt es bald mal wieder schöne Fotos von Ihnen auf Meine kleine Stadt zu sehen?

11. Februar 2010 um 22:24  
Anonymous undundund

Die Erwerbsarbeit bei Öd & Schnöd hält mich gerade etwas ab. Und dann ist es auch noch so kalt zur Zeit!

12. Februar 2010 um 10:20  
Anonymous Anonym

Seit einigen Jahren hat sich ja auch die Unsitte eingebürgert, dass einem persönlich weitgehend unbekannte Unsympathen Briefe und Mails senden, welche mit "Liebe Grüße" enden. WTF? Bei allem Verständnis für die Vorteile der Promiskuität, so viele Menschen liebe ich auch wieder nicht. Weder körperlich noch sonstwie. Ich verbitte mir das.

Dabei wäre gerade in der geschickten Wahl der Grußformel so viel Raum für individuelle Ausdrucksmöglichkeiten. "Kompliment" oder "Handkuss an die Frau Gemahlin" (letzteres sicher auch gut an schwule Mitbürger verwendbar. Heute sieht man das nicht mehr gar so eng.)

Aber genaugenommen hat der Einstieg, also die Anrede, viel größere Hebelwirkung. Da kann man sich effektvoll profilieren und dem werten Leser gleich vorab klarmachen, was er im Textkörper zu erwarten hat.

"Grüßliches!" (Von den Coneheads entlehnt. Schmucklos und doch hoch individuell, fast postmodern.)

"Mahlzeit!" (Passt zu jeder Tageszeit, kommt v.a. bei Beamten grundsätzlich nie schlecht an.)

"Sehr geehrter Herr Ministerialrat, lieber Rudi!" (Ideal für den so genannten privaten Dienstbrief.)

Und so fort.

Ich danke im Übrigen für die fortgesetzte Versorgung mit lesenswerter Kurzprosa und verbleibe schneeschaufelnd

Geezer

12. Februar 2010 um 16:40  
Anonymous Stasimodro

Danke, dass ich das lesen darf! Justament gestern bekam eine E-Mail, die doch tatsächlich "viele Grüße an die Spree" enthielt. Jetzt ist mir klargeworden, wie ich am Montag antworten muss, nämlich "ich werde es ausrichten, wenn ich sie sehe".

13. Februar 2010 um 18:18  
Anonymous SchwarzerKrauser

Ich melde mich, und zwar
1. zu Wort (hahaha...)
2. um Herrn/Frau Anonym meine uneingeschränkte Zustimmung auszusprechen; treffende Äußerung, der inhaltlich nichts hinzuzfügen ist und
3. um auch meinen Beitrag zum Sammelsurium unmöglicher, schlichtweg dämlicher Grußformeln zu leisten (original, so und nicht anders heute bei einer geschätzten Kollegin gelesen, ausgesprochen von einem nunmehr gar nicht mehr und vorher auch schon nicht so sehr geschätzten sogenannten Staatsdiener):

Liebe Grüße aus dem völlig verschneiten Lübeck,

...

Ich muss kotzen. Hier, und wohl auch im Schleswig-Holsteinischen Lübeck, liegt seit gefühlten 6 einhalb Monaten Schnee, alle, und ich meine: alle sind davon genervt, des Schnees schlichtweg überdrüssig, und dieser Vogel grüßt aus dem "völlig verschneiten Lübeck". Was denn sonst? Hochsommer?

Einräumen muss ich, dass meine geschätzte Kollegin nur wenig Verständnis für meine emotionale Reaktion auf diese Grußformel zeigte ("Wasn daran so schlimm?"). Ist halt noch nicht sensibilisiert, die Gute.

Gruß und Kuss.

17. Februar 2010 um 21:38  
Blogger ROSINE

Stelle fest: Da habe ich wohl ein ganz heißes Eisen angepackt! Wir sind nicht allein! Und Geezer, ich werde gleich mal nachsehen, was im Franck zum Thema Begrüßung steht!

Love,
Rosine

18. Februar 2010 um 12:38  
Anonymous Anonym

sonnige Grüße aus dem frühlingshaften Stuttgart, meine Liebe!

22. Februar 2010 um 17:40  
Blogger froschfilm

Sehr gut, sehr gut! (Weil ertappt.)

23. März 2010 um 14:24  
Anonymous mark793

Huch, ertappt! Ich wusste gar nicht, dass diese Marotte so verbreitet ist und darüber hinaus sogar von irgendwelchen Kommunikationsgurus empfohlen wurde.

Ich grüße in beruflichen Mails auch alle naslang vom Nieder- an den Oberrhein oder vom Rhein an den Main (oder auch an die Elbe, Unstrut oder Wümme, je nach dem).

Dass ich damit keine Originalitäts-Oscars abräume, ist mir schon klar. Aber für besondere kollegiale Anlässe habe ich zum bleistift (sic!) die schöne Worthülse handgestanzt:

Los Grüßos!

oder bei besonders albernen Härtefällen:

Los Grüßos especiales!

Wie mir zugetragen wurde, macht das jetzt Schule. Oje, das habe ich nicht gewollt...

25. März 2010 um 11:09  
Blogger ROSINE

Das war doch gar nicht meine Absicht, Leute zu ertappen!

Aber wie ein indisches Sprichwort sagt: Wer auf die Jagd nach einem Tiger geht, muss damit rechnen, einen Tiger zu treffen! Von daher.

xoxo,
Rosine

25. März 2010 um 13:18  

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