13. September 2010

Bericht aus Frankfurt am Main

Endlich habe ich mein eigenes Leben wieder! Wochenlang im Hotel wohnen macht keinen Spaß, auch wenn es in Frankfurt am Main ist, wo längere Hotelaufenthalte kein Einzelschicksal und keine Seltenheit, sondern im Gegenteil total normal und somit gang und gäbe sind. Übrigens, noch blöder als im Hotel wohnen müssen ist krank im Hotel wohnen müssen.

So ungefähr 600 000 Einwohner hat Frankfurt und angeblich kommen zusätzlich täglich zwischen 500 000 und 1 000 000 Menschen (hier widersprechen sich die Angaben) zum Arbeiten in die Stadt, was die Main-Metropole zu einer Art Scheinriesen macht: Man kommt an und denkt, Hey, krass, Frankfurt ist ja eine richtige Großstadt, was hier los ist, toll, so viel Trubel, da bleibe ich mal übers Wochenende hier und schau mir das alles an! und dann findet man sich in einem Taunus-Dorf wieder, wo samstags und sonntags alle Cafes und Restaurants zu sind und die Straßen wie leergefegt. Nur die Crack-Junkies, die bleiben auch übers Wochenende da.


Es gibt aber einen super Trick, um eine Scheinriesen-Stadt ganz einfach zu enttarnen: Wenn man aus dem U-Bahnhof nach oben kommt und sich in Sichtweite ein weiterer U-Bahnhof-Eingang befindet, bei dem es sich aber nicht um den hinteren Ausgang der U-Bahn-Station handelt, von der man gerade nach oben gekommen ist, sondern bereits um den Eingang zum nächsten U-Bahnhof, dann weiß man, Aha, ich befinde mich in einer Stadt, die größer scheint als sie tatsächlich ist.

Aber das nur nebenbei - wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Frankfurt ist neben Hamburg die Crack-Haupstadt Deutschlands und ich frage mich schon lang, wieso eigentlich in Berlin Crack keine Rolle spielt. Überhaupt ist die offene harte Drogenszene Berlins im Vergleich zu Frankfurt und Hamburg quasi nicht existent - seltsam, wo man doch für gemeinhin von der Gleichung "je größer die Stadt, desto krasser die Drogenszene" ausgeht. Trifft auf Berlin wohl nicht zu. Beinahe heimelig wirkt der Drogentreffpunkt am Kottbusser Tor in Berlin, wohingegen ich in Frankfurt fast aus den Latschen gekippt bin ob all des schlimmen Crack-Elends.


Ansonsten ist Frankfurt natürlich genau so, wie man es von einem richtigen Frankfurt erwartet. Es gibt einen Goetheplatz und eine Goethestraße, und wo eine Goethestraße ist, ist die Schillerstraße nicht weit, das ist in Frankurt wie überall in Deutschland. Die Metzgereien heißen Worschtkörbsche, die Kneipen Fennischfuchser und den besten Kaffee gibt es wo? Im Ordnungsamt natürlich, wo keiner damit rechnet! Das Ordnungsamt, das werde ich eventuell vermissen.

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2 Kommentare:

Anonymous Mlle Händel

Danke für diese 1a Beschreibung der Stadt meiner Kindheit und Jugend. Hochhäuser, Pendler und Junkies, was braucht die Metropole mehr!

15. September 2010 um 10:13  
Blogger ROSINE

Gern geschehen. Hat sich Frankfurt nicht Anfang der Neunziger, als Deutschland eine Hauptstadt gesucht hat, als Anwärter auf diesen Posten ins Spiel gebracht? Zu Recht, wie ich meine!

17. September 2010 um 21:14  

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