Frau Wallner
Wenn ich einmal alt bin, möchte ich eine feine alte Dame
sein. Das ist eines meiner erklärten Lebensziele. Stellt Euch eine Mischung aus
der Queen und Ruth Gordon alias Abigail Mitchell in der Columbo-Folge „Try and
catch me“ vor – so möchte ich einmal aussehen, wenn ich alt bin!
Ruth Gordon alias Abigail Mitchell elegant im dunkelblauen Seidenmoirékleid |
In Wien, wo ich das Glück habe,
mich regelmäßig aufhalten zu dürfen, bevölkern zahlreiche dieser feinen alten
Damen bei einer Mehlspeis und einem kleinen Braunen die Kaffeehäuser. Man freut
sich fast ein bisschen darauf, einmal 70 oder 75 oder gar noch älter zu sein,
wenn man sie da so herumsitzen und manchmal auch herumdämmern sieht, die feinen
alten Damen.
Ruth Gordon alias Abigail Mitchell maritim beim Strandspaziergang |
Als ich letztens im Café Landtmann im ersten Bezirk war, bin
ich mit Frau Wallner ins Gespräch gekommen, einer feinen, möglicherweise
bereits leicht verwirrten alten Dame, die, so schien es mir, ein nicht gerade
seltener Gast im Landtmann ist: "Grüß Sie Gott, Frau Wallner!", "Küß die Hand,
Frau Wallner!" – so ging es ohne Unterlass, während Frau Wallner mir erzählte,
dass sie früher Damenoberbekleidung verkauft und drei eigene Geschäfte gehabt
habe, eines davon auf der Mariahilfer Straße.
Ruth Gordon alias Abigail Mitchell im karierten Mantelkleid |
Da ich persönlich es sehr
interessant finde, wenn jemand einmal drei Damenoberbekleidungsgeschäfte
besessen hat, war es auch nicht weiter schlimm, dass Frau Wallner mir diese
Geschichte ungefähr viermal erzählte. Ich erfuhr außerdem, dass ihr soeben
ein Knopf von ihrem eleganten, dunkelblauen Kostüm abgesprungen sei („I bin
stärker gworn“) und dass es die besten Semmelbrösel beim Anker gibt. Schauens,
wenn man Semmelbrösel kauft, dann nur die vom Anker, dös san die besten.
Ruth Gordon alias Abigail Mitchell klassisch im kleinen Schwarzen |
Was
ich Frau Wallner nicht erzählt habe: Tags zuvor hatte ich mir fast die Hufe abgelaufen, nur um einen Strudelteig vom Anker zu bekommen. Wenn man schon
Strudelteig kauft, um ihn mit nach Deutschland zu nehmen, dann nur den vom
Anker! Ich fürchte allerdings, der Anker hat den Strudelteig aus dem Programm
genommen – hoffentlich hat er wenigstens noch die Semmelbrösel im Sortiment.
Sportlich beim Morgenspaziergang am Pier oder Dock oder Kai oder wie das heißt |
Eine chaneleske Mantel-Kleid-Kombination darf im Kleiderschrank einer feinen alten Dame nicht fehlen |
******
Labels: Das ist doch total krank, Wenn heimliche Fashionbloggerinnen zu sehr lieben
3 Kommentare:
Küssdihand.*) Ist mir kolossal peinlich, mich schon wieder in was einzumischen; aber in dieser Stadt halte auch ich mich selber unregelmäßig auf. Vermutlich bin ich dort sogar aufgewachsen, aber das ist zu lange her, um mich daran zu erinnern.
Ich sitze allerdings lieber im Bräunerhof, wenn ich in die große Stadt komme. Das Landtmann hat irgendwie sowas von Geschäft und Politik an sich. Aber sicher weißt du das, wenn Sie öfter in Wien sind.
Anyway. Im Bräunerhof behandelt dich der Kellner zehn bis 20 Jahre lang wie einen Aussätzigen, dann hat er sich an einen gewöhnt und nennt dich "Herr Doktor".
Aber ich schweife. Zum Thema: Den Strudelteig vom Anker gibt es glaube ich wirklich nicht mehr (ich kann allerdings gar nicht kochen und alle Frauenspersonen, die ich kenne, auch nicht), aber Semmelbrösel gibt es wohl. http://www.ankerbrot.at/produkte?894#PRODUKT982
Als Substitutionsprodukt für die Fertigung eines Strudels wird neuerdings wohl das Angebot der Marke "Tante Fanny" herangezogen.
Kompliment,
Geezer
*) Als ich ein junges Kind war, haben mich meine Eltern so lange auf den Kopf geschlagen, bis ich unverlangt und spontan jede Dame im mannbaren Alter dergestalt gegrüßt habe.
Wenn ich Wien bin, habe ich immer Ferien, da schaue ich den anderen gern beim Geschäfte machen und politisieren zu! Hauptsächlich gehe ich aber ins Landtmann, weil die Sitzbänke da so schön bezogen sind und außerdem haben die so herzige kleine ovale Tischchen! Das Prückel mag ich aber auch gern und am liebsten geh ich eigentlich ins Hummel.
Ach Danke, das ist ein schöner Ausblick. In Wilmersdorf gibt es glaube ich auch noch mindestens eine feine alte Damen, die saß gerade neben mir beim Friseur. Die war aber gefühlt schon 100.
Kommentar veröffentlichen
<< Zurück