3. November 2019

Hope in a Jewelry Jar

„Hope in a jar“ – so heißt eine Gesichtscreme, die vor vielen Jahren (es dürfte 2010 gewesen sein) von Beauty-Youtuber*innen hoch und runter beworben wurde und die meine erste bewusste Begegnung mit Influencer-Marketing markiert. Nur hatte das Phänomen damals noch keinen Namen.

Seitdem ist viel Wasser die Social-Media-Kanäle hinuntergeflossen, die Leute beklagen sich, dass alles gleich aussieht auf Instagram, alles nur noch Werbung und Kommerz ist auf Youtube, Studien weisen darauf hin, wie schlecht Social-Media-Konsum für unsere mentale Gesundheit ist wegen der dort propagierten unerreichbaren Standards und der inszenierten Perfektion und überhaupt, Google und Facebook wollen uns mit miesen psychologischen Tricks und geheimen Algorithmen süchtig machen, damit wir auf Instagram stundenlang weiterscrollen und auf Youtube ein Video nach dem anderen kucken, um noch mehr Daten von uns sammeln und uns noch mehr Werbung unterjubeln zu können. Ja, natürlich, möchte ich in solchen Momenten rufen. Was ich außerdem rufen möchte: Kommt es nicht darauf an, wie man die jeweilige Social-Media-Plattform nutzt? Wem man folgt? Welche Videos man sich anschaut? Wer auf Instagram Kim Kardashian und Caro Daur folgt, hat Kim Kardashian und Caro Daur im Feed, wer mir folgt, hat … you do the math!

Jewelry Jar unjarring

Statt „Hope in a jar“-Marketing heißt es für mich beispielsweise „Jewelry in a jar“-Watching: Bei den Jewelry-Jar-Opening-Videos („Unjarrings“) handelt es sich um eine Youtube-Nische, in der mittelalte Frauen in ihren Videos sogenannte Jewelry Jars öffnen – das sind vorgepackte Einmachgläser mit gebrauchtem Modeschmuck, die man in amerikanischen Second-Hand-Laden wie Goodwill, Savers oder bei der Salvation Army versiegelt zu einem Fixpreis kaufen kann. Der Thrill an der Sache: Man weiß nicht genau, was drin ist; neben dem ganzen Modeschmuck könnte ja doch etwas Tolles in dem Gefäß sein, ein Armband von Tiffany & Co. vielleicht oder etwas aus Sterling Silver.


Die Frauen, die diese Videos machen, scheinen mir nicht besonders an irgendwelchen Beauty-Standards interessiert zu sein, ihre Wohnungen sind – wenn man sie zu sehen bekommt – mal aufgeräumt, mal nicht, sie machen auch nicht ständig Urlaub an exklusiven Orten, nein, sie öffnen Jewelry Jars und filmen das. Von negativen Auswirkungen dieser Videos auf meine mentale Gesundheit kann ich nicht berichten. Außerdem sind diese Videos so einschläfernd, dass ich nach spätestens zehn Minuten eingepennt bin. Da kann Google sich auf den Kopf stellen und versuchen mich zum Weiterkucken zu manipulieren!

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