20. Oktober 2019

Die Schubertring-Gräfin

Es ist ja so mit dem Internet: Den ganzen negativen Scheiß, den ganzen Hass nimmt man nur in Kauf, weil das Internet grundsätzlich eine hervorragende Sache ist und viele witzige und informative Dinge drin stehen. Geht diese Gleichung nicht mehr auf – beispielsweise wenn ich ein bestimmte Information NICHT im Internet finde – fühle ich mich persönlich betrogen. Richtig wütend werde ich da.

Nehmen wir die Schubertring-Gräfin. Nichts, Nullkommanichts findet sich im Internet zur Schubertring-Gräfin. Dabei soll sie laut Peter Yorks „The Official Sloane Ranger Handbook“ von 1982 das Wiener Pendant zu den Londoner Sloane Rangers gewesen sein:

Official Sloane Ranger Handbook

Ich flippe aus, wenn ich nicht demnächst erfahre, wie die Wiener Version des Sloane-Ranger-Looks ausgesehen hat, wo die Schubertring-Gräfinnen abends in Wien hingegangen sind, in welchen Kaffeehäusern sie herumsaßen, wo sie eingekauft und was sie sonst so gemacht haben. Und überhaupt: Der Schubertring ist nur ein kleiner Teil des Rings, zwischen Stadtpark und Schwarzenbergplatz – was hat sich dort abgespielt in den frühen Achtzigern? Und woher hatte Peter York diese Insiderinformationen? Internet gab es damals ja noch nicht. Und über das Schubertring-Gräfinnen-Phänomen steht ja eh nichts drin.

Stadtplan Wien Schubertring

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7 Kommentare:

Anonymous therealgeezer

Blödsinn. Aber echt jetzt. Es gab in den frühen 80ern in Wien nichts und niemand, was "Schubertring-Gräfin" geheißen hat. Ich war da. Und am Schubertring war auch genau nix. Jetzt eh immer noch, nur das TGI Fridays und die Champions Hotelbar.

Wer etwas auf sich gehalten hat, waren wir im Monte, im Schoko (leider nur kurz, bester Platz in Wien ever!) und manchmal im U4. Café Hawelka und Heinz (Kruger. Oder Krüger? Der hatte später ein Café in Berlin, go figure!) Die kleinen Geschwister haben ihre Vespas vor dem Donnerbrunnen am neuen Markt geparkt und sich gegenseitig ins Wasser geworfen. So war das damals.

Nichts gegen das Sloane Ranger Handbook. A good sense of humour is rarely important! Auch schon ein Zeitl her.

9. Dezember 2019 um 08:17  
Blogger ROSINE

@therealgeezer Welcome back! Wie schön! Und vielen Dank für die Insider-Infos, sehr interessant. Was ich mich allerdings frage: Wie sind Ann Barr und Peter York dazu gekommen, das in ihr Buch hineinzuschreiben? Ich mein, einen so guten, treffenden Namen wie "Schubertring-Gräfin" denkt man sich doch nicht einfach aus.

14. Dezember 2019 um 16:30  
Anonymous therealgeezer

Also dass man treffliche Dinge schreibt, die gar nicht stimmen, ist jetzt nicht wirklich was Neues. Genau genommen lebe ich eigentlich davon.

Ich werde den Freund, der mir seinerzeit in London das Sloane Ranger Handbook geliehen hat, um eine erneute Ausleihung ersuchen. Möglicherweise wird mir ein nochmaliges Studium des betreffenden Werks Erkenntnisgewinn in Sachen Schubertring-Gräfin bescheren. Wir werden berichten.

17. Dezember 2019 um 20:12  
Anonymous therealgeezer

Ein handfester Anhaltspunkt, dass der unbekannte Begriff frei erfunden wurde, ist wohl der Rest der gebotenen Leseprobe. Ich meine, hat schon mal jemand Munich Rangers gesehen? Und auch in São Paolo konnte ich damals unter den 22 Millionen Einwohnern keinen einzigen Ranger ausmachen. Und ich habe dort genug schicke Menschen kennengelernt, die mit ihrem Leben trotz ausreichenden Wohlstands nichts Rechtes anzufangen wussten.

Und "Groppi's Horse" war eine fröhliche Trinkrunde britischer Offiziere im Café des Hotel Groppi in Kairo. Nur haben sie 1945 damit aufgehört.

Ich glaube, da sind Sie einer Fälschung aufgesessen; aber mach dir nichts draus, das passiert den besten unter uns.

Für den ominösen Namen gibt es zwei Erklärungsmodelle: entweder mithilfe eines Stadtplans frei erfunden. Oder es gab irgendwann ein völlig unbedeutendes (weil mir nicht persönlich bekanntes) Lokal solchen Namens am Schubertring und York oder Barr haben sich an dem Namen bedient, weil er nett klingt.

Noch netter wäre es gewesen, wenn sie die Gräfin vom Naschmarkt missbraucht hätten (also zur Namensgebung), das anerkannt schlechteste Restaurant in Wien, welches darob bereits Kultstatus genießt. https://www.derstandard.at/story/2000078922168/eigenartig-dass-das-schnitzel-aufgegessen-wurde-wiener-lokal-legt-sich

Allerhand launige Kommentare dazu im Leserforum.

19. Dezember 2019 um 08:38  
Blogger ROSINE

Trotzdem gut, der Begriff. Schubertring-Gräfin. Genial.

5. Januar 2020 um 16:55  
Anonymous West Indian Limes

Wohl an gab es (und gibt es vereinzelt immer noch) auch in Wien ein Pendant (eine gewisse Lesart) der Sloane Rangers. Ähnlich wie mit BCBG in Paris. Ob sich vielleicht eine Clique einen Namen im Kontext mit "Schubertring" gegeben hat, kann nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht hatten die Autoren tatsächlich Informationen dazu. Das mit den Mods am Donnerbrunnen steht jedenfalls fest im Büchel. ;-)

Der Wiener "Rubert" von heute jedenfalls liebt es eher casual und trägt weinrote Scotchgrain-Norweger von Materna, eine japanische Denim-Jeans, ein University-striped OCBD-Hemd nach Maß von Venturini (mit Monogram) und darüber ein Maßsakko aus braunem Fischgrät-Tweed. Cashmere-Stecktüchl vom Jungmann inklusive. Die "last line of defence" zur schnöden Außenwelt bildet eine grüne Steppjacke von Lavenham (immer noch Made-in-England). Und so flott gewandet gehts ins Kameel zum Beinschinken mit Kren ...

Servus,
West Indian Limes.

15. April 2021 um 11:58  
Anonymous West Indian Limes

Und der Wiener Rubert von heute ist eigentlich ein "Rupert". Rah rah ... ;-)

15. April 2021 um 12:00  

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