Bericht aus Lissabon
Habe ich in meinem letzten, bald vier Jahre zurückliegenden
Beitrag zu der Kategorie „Bericht aus“ über Brüssel geschrieben, Brüssel sei eine Stadt ohne Bänke, dann kann ich nun mit Fug und Recht festhalten, Lissabon
ist eine Stadt der Banken. „Aha“, denkt
man sich, wenn man auf der Suche nach einem Supermarkt durch die Lissabonner
Innenstadt läuft, „so sieht also dieses Bankenretten in real life aus.“ – denn es befindet
sich ungefähr in jedem zweiten Gebäude eine Bankfiliale. Es ist tatsächlich einfacher,
in Lissabon eine Bank zu finden als einen Supermarkt! Vom
Find-Schwierigkeitsgrad her, würde ich sagen, liegen Supermärkte in Lissabon
ungefähr auf einem Level mit Stoff- und Wollgeschäften, wenn nicht sogar
darüber! Ich habe nämlich in der Innenstadt vier Stoffläden und ein Wollgeschäft
gezählt, aber nur drei Supermärkte – einen der Firma Minipreço und zwei der
Firma Pingo Doce (von mir frei aus dem Bauch heraus mit „Zwölf Pinguine“
übersetzt).
Was es hingegen enorm häufig gibt, zum Glück häufiger
als Bankfilialen, sind sogenannte Pastelarias (eine Art Konditorei oder
Kaffeebar), in denen man sich den lieben langen Tag mit enorm gutem Gebäck
vollstopfen kann – außer zwischen 12:30 und 14:00 Uhr sowie zwischen 20:00 und
22:00 Uhr. In diesen Zeitintervallen verwandeln sich die Pastelarias in kleine
Restaurantes und man schwenkt von den süßen pastéis de nata um auf die andere
Spezialität Lissabons, den Stockfisch (bacalhau). Total toll!
Ich erwäge
derzeit sogar die Anschaffung eines Mini-Bunsenbrenners bzw.
Karamellisiergerätes, um so meine Versorgung mit den pastéis de nata auch in
Zukunft sicherzustellen. Wo ich den bacalhau herbekomme, ist allerdings noch
unklar.
Wenn man in der Pastelaria oder im Restaurante bezahlen
möchte, ruft man nicht etwa pagar durch die Gegend, sondern man nimmt Augenkontakt
mit dem Kellner auf, woraufhin der Kellner in Kombination mit einem fragenden
Blick mit dem Daumen und Zeigefinger eine Unterschreib-Bewegung macht, wie man sie auf den EC-Karten-Symbolen findet:
Die Rechnung bekommt man dann auf einem Geldtablett mit
eingebauter Wegfliegsperre serviert, denn es ist sehr windig in Lissabon – Stichwort
Atlantik.
Läuft man außen an einer Pastelaria vorbei und sieht innen
einen Bekannten sitzen, dann winkt man und macht das Daumen-hoch-Zeichen, woraufhin der/die Innensitzende ebenfalls mit Winken und der Thumbs-up-Geste antwortet.
Insgesamt, so scheint mir, redet man in Lissabon nicht sehr viel, und das
Wenige, das man sagt, sagt man sehr leise und nuschelt es so vor sich hin. Sehr
sympathisch! Ich habe mich selbstverständlich vor Reiseantritt mit den wichtigsten
Begriffen vertraut gemacht – bitte, danke, Guten Tag und so weiter. Zur
Verabschiedung sagt man angeblich Adeus, a-de-usch ausgesprochen, aber ich sage
Euch, in der ganzen Woche habe ich niemanden dieses Wort sagen hören! Sogar auf
dem Rückflug habe ich mich noch gewundert, wieso der Taxifahrer zur
Verabschiedung am Flughafen „hurry up“ zu mir sagt, wo ich doch total pünktlich
war. Bis es mir dann kurz vor Schönefeld wie Schuppen von den Augen fiel: Der
hat gar nicht hurry up gesagt, der hat adeus gesagt!
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