20. Oktober 2019

Die Schubertring-Gräfin

Es ist ja so mit dem Internet: Den ganzen negativen Scheiß, den ganzen Hass nimmt man nur in Kauf, weil das Internet grundsätzlich eine hervorragende Sache ist und viele witzige und informative Dinge drin stehen. Geht diese Gleichung nicht mehr auf – beispielsweise wenn ich ein bestimmte Information NICHT im Internet finde – fühle ich mich persönlich betrogen. Richtig wütend werde ich da.

Nehmen wir die Schubertring-Gräfin. Nichts, Nullkommanichts findet sich im Internet zur Schubertring-Gräfin. Dabei soll sie laut Peter Yorks „The Official Sloane Ranger Handbook“ von 1982 das Wiener Pendant zu den Londoner Sloane Rangers gewesen sein:

Official Sloane Ranger Handbook

Ich flippe aus, wenn ich nicht demnächst erfahre, wie die Wiener Version des Sloane-Ranger-Looks ausgesehen hat, wo die Schubertring-Gräfinnen abends in Wien hingegangen sind, in welchen Kaffeehäusern sie herumsaßen, wo sie eingekauft und was sie sonst so gemacht haben. Und überhaupt: Der Schubertring ist nur ein kleiner Teil des Rings, zwischen Stadtpark und Schwarzenbergplatz – was hat sich dort abgespielt in den frühen Achtzigern? Und woher hatte Peter York diese Insiderinformationen? Internet gab es damals ja noch nicht. Und über das Schubertring-Gräfinnen-Phänomen steht ja eh nichts drin.

Stadtplan Wien Schubertring

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14. Oktober 2019

Bravos in Stuttgart

Dank John Cranko gehört das Stuttgarter Ballett seit den Sechzigerjahren zu den weltweit führenden Ballettensembles. In den späten Siebzigern war der Ruhm der Stuttgarter Compagnie so groß, dass sie es indirekt in den US-amerikanischen Kinofilm „Fame“ von 1980 schaffte – eine der Tanzelevinnen nennt Stuttgart als Karriereziel:

Fame der Weg zum Ruhm
Filmstill mit Untertiteln aus „Fame“ (1980)

Meine Eltern hatten ein Abo für das Stuttgarter Ballett und so kam es, dass ich bereits als Kind die besten Tänzerinnen und Tänzer der Welt tanzen gesehen habe: Marcia Haydée, Richard Cragun, Egon Madsen, Birgit Keil, Vladimir Klos, Tamas Detrich. Nach jeder Aufführung habe ich Stunden damit zugebracht, die unglaublich aufwendig gestalteten, in meiner Erinnerung DIN A3 großen Programmhefte zu studieren. Diese Hefte enthielten Hintergründe zu dem jeweiligen Ballett und die üblichen Honoratioren-Grußworte; hauptsächlich aber verströmten sie internationales Flair. Neben den Solistinnen und Solisten wurde das ganze Corps de Ballet vorgestellt, Tänzerinnen und Tänzer aus der ganzen Welt, und selbstverständlich schalteten die edelsten Restaurants, die elegantesten Boutiquen und die exclusivsten Nachtclubs von Stuttgart Anzeigen in diesen Begleitbroschüren.

Von oben links im Uhrzeigersinn: Marcia Haydée, Richard Cragun, Vladimir Klos, Birgit Keil, Birgit Keil, Vladimir Klos, Richard Cragun, Marcia Haydée, Egon Madsen (zum Vergrößern klicken)

Nun habe ich mir neulich die Spring/Summer-2020-Show von Louis Vuitton angeschaut und einige Tage gerätselt, warum diese Kollektion mehr als eine Saite in mir zum Schwingen gebracht hat. –– Natürlich! Genauso, genau in diesen Looks sind in meiner Phantasie die Tänzerinnen der Stuttgarter Compagnie off-duty rumgelaufen! D.h. im Ballerinengang über die Königstraße gewatschelt.

Louis Vuitton Spring Summer 2020
Louis Vuitton Spring/Summer 2020 (zum Vergrößern klicken)

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1. Oktober 2019

Über den Dächern von Paris

Vor ein paar Jahren habe ich mir Gedanken gemacht, wie das Haus Chanel die Nachfolge Karl Lagerfelds nach seinem Tod regeln wird. Insgeheim habe ich damals befürchtet, dass Chanel zumachen muss, wenn Karl Lagerfeld einmal tot ist – denn wer soll diese Verantwortung übernehmen, wer kann in diese Fußstapfen treten? 

Virginie Viard kann es!

Virginie Viard Chanel Nachfolgerin von Karl Lagerfeld

Während es für Fendi ohne Karl Lagerfeld sehr schwer werden wird, hat Virginie Viard als Kreativchefin schon nach drei Kollektionen Chanel einen neuen Dreh gegeben. Das Zeug, das sie heute in der Spring/Summer-2020-Show gezeigt hat, ist natürlich immer noch très, très, très Chanel und très, très, très Karl, hat aber weniger diese aufgeregte „Ich kenne Karl persönlich“-Attitude, die man mit dem Kauf eines Chanel-Teils erwerben konnte. Virginie Viards Chanel ist cooler, moderner, ich möchte sagen: funktionaler. Eventuell kann man sogar von einer neuen funct-chanel-ity sprechen!

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